Da es leider immer noch kein festes Datum gibt und sich die Dinge weiterhin hinziehen, wollte ich euch zumindest teilhaben lassen an einer kleinen Kurzgeschichte, die ich vor ein paar Tagen geschrieben habe. Ein ganz anderer Stil als Kirschroter Sommer und auch eine ganz andere Aufmachung. Aber vielleicht gefällt es euch ja trotzdem.
Leider lassen sich keine Kommentare zu einem Blogeintrag verfassen, obwohl es aktiviert ist. Ich bin noch nicht dahintergekommen, woran es hängt. Ihr dürft mir aber natürlich gerne ins Gästebuch schreiben. Ich würde mich freuen.
Als kleine Anmerkung: Die Kurzgeschichte ist ein kleiner Auschnitt von einer eigentlich längeren Geschichte, die ich aber vermutlich nicht umsetzen werde. Im Ganzen zu klischeeig, aber für einen Auszug gut geeignet, wie ich fand.
Unausgesprochen
Im Halbdunkel beobachteten seine Augen den Rauch, der von der Zigarette aufstieg und sich in langgezogenen dünnen Fäden immer mehr vom Ursprung, von der Glut löste. Manchmal bewegte sich der Rauch grazil, elegant beinah, und dann wurde er wieder schwerfällig, träge, so als würde er in der Luft gegen unsichtbare Barrieren stoßen. Verwirbelte sich, nahm eine neue Form an, wuchs zu einer ganz anderen Gestalt heran. Rauch ist so viel flexibler als er es ist, dachte sich der dunkelhaarige Mann, die Augen von dem Schauspiel gefangen genommen. Rauch suchte sich seinen Weg, passte sich den Umständen an, hielt nie mehr als für die Dauer eines Atemzuges inne, bevor er eine neue Richtung erkannte und diese einschlug. Rauch stand sich niemals selbst im Weg.
Leise Musik drang aus dem Hintergrund, verwischte sich mit dem Schummerlicht und tauchte den Raum in Melancholie. Der Liedtext spielte keine Rolle, nur die einzelnen Worte, die viel lauter auf der Melodie zu schwimmen schienen als die anderen. Emptiness. Can’t. Silence. Live. Blind Folds. Death. Love. Truth. Can’t. Can’t. Can’t.
In hypnotischen Rhythmen wiederholten sich diese Worte, bis man ihnen glaubte, bis man ihnen eingestand, dass sie Recht hatten.
Vor dem Mann lag immer noch das weiße Blatt Papier, unberührt, leer, von der Tinte seiner Gedanken verschont. So viele Dinge, die gesagt werden mussten, so viel Unausgesprochenes, das immer lauter zu schreien begann. Die Stille war längst gebrochen. Vielleicht hatte sie auch niemals existiert. Er wollte seine Gedanken aufschreiben, er wollte es wirklich, aber sobald er ansetzte, verkrampfte sich seine Hand, konnte den Füller nicht mehr halten. Es war dieses Zittern, das von ganz innen kam, das niemand sehen, er selbst dafür aber umso deutlicher spüren konnte. Ob sie den Brief überhaupt lesen würde? Und … würde sie lesen wollen, was darin stand? Sein Finger glitt über das weiche Papier der Zigarette, tippte darauf, sodass die Asche rieselnd den Weg in das Glasbehältnis fand. Genauso beschwerlich wie der aufsteigende Rauch. Er führte die Zigarette zwischen seine Lippen, zog daran, inhalierte die ungesunde Beruhigung, die er so willkommen hieß. Noch zwei Züge, dann würde die Glut erlischen. Nur noch zwei kleine Züge.
Mit einem leichten Knarzen öffnete sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer, leise Schritte näherten sich. Er blickte nicht auf, er kannte den Klang der Schritte in- und auswendig. Vielleicht gab es sogar nichts, was ihm auch nur annähernd so vertraut war wie dieser Klang.
Er spürte, wie sich ihre zarte Hand auf seinen Kopf legte, wie ihre zierlichen Finger durch seine Haare strichen. Er schloss die Augen, spürte die Geborgenheit, spürte die verwaschene Gegenwart, spürte die Zukunft, spürte die Beständigkeit. Langsam drehte er den Kopf, öffnete die Lider, blickte in ihr Gesicht, das so zart auf ihn wirkte, als wäre es mit dem feinsten Bleistift gezeichnet. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln, das ihn so glücklich machte, dass er traurig wurde. Er zwang seine Mundwinkel dazu, das Lächeln zu erwidern.
»Kommst du ins Bett?«, fragte sie.
Er nickte. So wie er jeden Abend nickte.
»Schön«, flüsterte sie, streichelte ihm ein letztes Mal durch die Haare, ehe sie mit dem gleichen Klang verschwand, mit dem sie gekommen war. Er blickte ihr nach, selbst als die Tür sich längst geschlossen hatte. Ihr süßlicher Geruch umnebelte ihn noch immer. Sie roch so besonders, so wie nur sie roch.
Sein Blick schweifte zu seiner Hand, die vor dem Aschenbecher ruhte. Die letzten zwei Züge waren verglimmt. Und das leere Blatt Papier trug immer noch die Reinheit von Schnee. Nichts war dort zu lesen von den Gefühlen, die ihn schon so lange beherrschten. Seine Gedanken, seine intensive Zuneigung, diese Empfindungen, die er noch niemals zuvor gespürt hatte, nach wie vor fest verschlossen in seinem Kopf. Aber was bedeutete schon die Gegenwart, wenn man eine Zukunft haben konnte?
Schwerfällig drückte er die Zigarette aus, viel länger, als es nötig war. Ein letzter Schluck von dem roten Wein, der die Farbe ihrer Lippen trug und sich so weich in seinem Hals anfühlte, ehe er langsam den Stuhl nach hinten schob und aufstand. Er löschte das Licht der Schreibtischlampe, und das Papier wurde von der Dunkelheit verschluckt.
Vielleicht, so wurde es ihm bewusst, war er flexibler, als er dachte.
©Carina Bartsch


Keine Kommentare